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Kopf­verletzungen im Fußball und die kontroverse Diskussion um das Spielen von Kopf­bällen

Am letzten September-Wochenende 2021 kam es zu zahlreichen Kopfverletzungen in der Fußballbundesliga. Allein im Duell zwischen Frankfurt und Köln mussten drei Spieler aufgrund von Kopfverletzungen ausgewechselt werden. Im Spiel zwischen Union Berlin und Arminia Bielefeld erlitt Timo Baumgartl eine schwere Gehirnerschütterung.

Den Kopfverletzungen zugrunde liegen häufig intensive Kopfballduelle, bei denen Schädel an Schädel prallen. Bei jedem Schlag kommt es zu Mikroverletzungen, die zwar in der Bildgebung teilweise gar nicht zu sehen sind, aber dennoch gravierende Folgen für den Betroffenen haben können. Als weiterer Pathomechanismus wird seit einigen Jahren auch das Spielen von Kopfbällen kontrovers diskutiert, wodurch ggf. leichte Schäden verursacht werden, die sich in Summe potenzieren können. Ob das häufige Spielen von Kopfbällen zu dauerhaften Veränderungen der Hirnstrukturen oder –funktionen führen kann, ist wissenschaftlich noch nicht endgültig belegt.

Bereits im November 2019 wurde von der schottischen Arbeitsgruppe um Prof. Stewart eine Studie veröffentlicht, die die Mortalität aufgrund neurodegenerativer Erkrankungen unter 7676 ehemaligen schottischen Fußballprofis mit der der Allgemeinbevölkerung verglich. Die Studie kam zu dem Ergebnis, dass die Profifußballer mit einer 3,5-mal höheren Wahrscheinlichkeit an einer degenerativen Hirnerkrankung sterben (z.B. Demenz, Parkinson). In einer weiteren Analyse der Daten, die im August 2021 veröffentlicht wurde, wurde u.a. der Zusammenhang zwischen Feldpositionen und dem Risiko einer neurodegenerativen Erkrankung untersucht. Während Torhüter ähnlich oft von Demenz und anderen neurodegenerativen Erkrankungen betroffen waren wie die durchschnittliche Bevölkerung, traten derartige Erkrankungen bei Feldspielern viermal häufiger auf. Abwehrspieler, die statistisch gesehen am häufigsten Kopfbälle spielen, wiesen sogar ein fünfmal höheres Risiko auf.

Einen kausalen Zusammenhang zum Kopfballspiel kann die Studie jedoch nicht liefern. Dennoch führten die Ergebnisse in Großbritannien zu Regeländerungen, die das Kopfballspiel im Training bei Kindern unter elf Jahren untersagt. Aktuellen Leitlinien des Englischen Fußballverbandes zu Folge, sollen auch im Profibereich pro Trainingswoche nur noch zehn Kopfbälle mit "höherer Kraft" gespielt werden.

Ein generelles Kopfballverbot für Kinder sieht der Deutsche Fußballverband (DFB) dagegen als nicht zielführend an. Aber auch hier wird das Thema ernst genommen, ob gleich die Auswirkungen nicht ganz so drastisch sind. Nach Angaben des DFB muss das Ziel der Maßnahmen sein, die Zahl der Kopfbälle in Training und Spiel zu reduzieren. Die von der Universität des Saarlandes koordinierte UEFA-Kopfballstudie kommt zudem zu den Ergebnissen, dass Junioren unter Wettkampfbedingungen überraschend selten köpfen. Auch die Beteiligung an der aktuell laufenden NAKO-Gesundheitsstudie soll weitere wissenschaftliche Erkenntnisse aufzeigen. Die Beteiligung ist ein gemeinsames Projekt von DFB, DFL und der gesetzlichen Unfallversicherung VBG. Im Fokus der Untersuchungen stehen die Auswirkungen des Profisports auf die Gesundheit von ehemaligen Profi-Fußballspielerinnen und Profi–Fußballspielern.

Um weiter auf die Problematik aufmerksam zu machen, fand am letzten Septemberwochenende 2021 im englischen Spennymoor das erste Fußballspiel ohne Kopfball statt (Sportschau und NDR berichteten). Lokale Größen und ehemalige Profis spielten ein Testspiel mit ernstem Hintergrund. Die Initiatorin der Partie und Mitbegründerin der Stiftung "Head for Change", Judith Gates, möchte hierdurch Menschen für die Problematik sensibilisieren.

Der Profifußball ist zwar für die Problematik sensibilisiert und auch die Forschungsaktivitäten wurden in den letzten Jahren deutlich erhöht, die Problematik und der Umgang damit aber noch lange nicht gelöst.
Aktuell fördert auch das BISp eine Vielzahl an Projekten zur Thematik, um zur Aufklärung beizutragen. Einige der Projekte enden im Dezember dieses Jahres, erste Ergebnisse werden im Frühjahr 2022 erwartet.

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